Velvet Lifestyle Magazin Essen

Auftraggeber: Velvet Lifestyle Magazin Essen

Auftrag: Beitrag zu Sportstudios und speziell zu Taebo recherchieren und schreiben

Leseprobe: Redaktion

RUBRIK: New Sports
HEADLINE: Schwitzfaktor hoch. Flirtfaktor null.
LEAD IN: Zur Sache: In den letzten beiden Jahren hat sich das Angebot an Sportkursen in Sportstudios extrem vervielfältigt. Dubiose Wortschöpfungen wie Kiboe, Tae-Bo, Core Board, Dance-Aerobic, Push & Power, Step & Style, Pilates oder Cycle-Race sorgen für Fragezeichen im Kopf und für ein schlechtes Gewissen im Bauch - so vorhanden. Eine Groborientierung verschafft Ihnen das kleine Sportwörterbuch am Rande. Mitschwitzen und Mitkeuchen können Sie jetzt gleich bei ein paar Probestunden in Sachen Tae-Boe und Kiboe, die unsere Redakteurin für Sie erforscht hat.

COPY: „Sportstudios sind für mich nichts Neues. Ich habe in einer echten Muckibude in Voerde meine ersten Erfahrungen gesammelt. Außer altem Schweiß, stöhnenden Muskelmännern in ausgeleierten Jogginghosen und nassen Unterhemden gab es da nullkommanichts. Was ich klasse fand: Mit meiner Freundin Gonhild, die dort trainierte, entdeckte ich eine völlig andere Sportszene: Krafttraining. Für mich, die ich zehn Jahre hübsch im Verein Handball gespielt hatte, ein unvorstellbares Milieu. Einmal angefüttert, suchte ich mir in Düsseldorf die etwas schickere Version eines Studios aus. Dort gab es saubere Trainingsklamotten, Teppich auf dem Boden, blitzblanke Spiegel an den Wänden und neben den modernsten Geräten auch Aerobic-Kurse. Die Hopserei im Takt fiel mir dermaßen schwer, dass mein inneres Empfindungsbarometer hochgradig auf Wut stand. Gedanken wie: Die Vortänzerin hat ein Rhythmusgefühl wie ein Mehlsack oder warum bitteschön mache ich mich hier eigentlich für die glotzenden Schönlinge an der Kraftmaschine da hinten zum Idioten, irritierten mich ein wenig. Irgendwann hatte ich die choreografischen Schrittchen und meine bis dahin völlig gestörte Koordination von Füßen und Armen im Griff. Prompt wurde mir dann erst mal langweilig.

Also beschloss ich neue Herausforderungen aufzutun. Im Fernsehen hatte ich was Interessantes gesehen: Die Amerikaner stylten sich bereits mit einer ganz anderen Sportversion: Tae-Bo. Der Astralkörper in Form eines höchst attraktiven Schwarzen säuselte in die Kamera, was das und wofür das gut ist. Es handelte sich um eine Kombination aus Kampfsport ohne Körperkontakt und mit Aerobicelementen. Die Musik nach der das Ganze stattfindet, war genau mein Ding: angejazzte Discosounds. Das Erfolgsversprechen, nach einem halben Jahr, den flachen Bauch, den strammen Po und entwabbelte Oberarme zu haben, stieß zwar auf meine Skepsis, wirkte aber insgesamt verlockend. Drei Studios hatte ich ausprobiert und mich dann für das entschieden, wo verschiedene Trainer jeweils verschiedene Interpretationen von Tae-Bo oder eben KiBoe anboten. Allein schon die Namen der Trainer vermochten meinen Pulsschlag zu erhöhen: Celestino aus Brasilien, Steven aus den USA, und Richy aus England gaben Tae-Bo-Kurse. Ihre schwarzen Bodies ließen meinen verzweifelten Kontrollblick in die Rundumspiegel noch gnadenloser ausfallen. Neben diesen Herren hatte sich Ines als einzige Kiboe-Frau zu behaupten. Im Studio munkelte man, dass sie sich erst durch Kiboe in dieses unwiderstehliche, fantastisch durchtrainierte Persönchen verwandelt haben soll. Dazu runzelte ich bloß die Stirn, schaute im Internet unter www.kiboe.de nach und entdeckte die Wahrheit. Trotzdem oder deswegen- keine Ahnung - entschied ich mich zunächst für Ines. Erstens hatte sie mächtig Zulauf aus der attraktiven Herrenszene, zweitens hoffte ich, dass sie meine Konditionsgrenzen nicht allzusehr beanspruchen würde.

Weit gefehlt, schon nach wenigen Minuten, knallte mein Herz bis in den Hals, die Lunge brachte eigentümliche Laute hervor und ich war zu stur, um aufzugeben. Schlagartig wusste ich, warum in der Kursbeschreibung erstens für Fortgeschrittene und zweitens für Männer gut geeignet stand. Um mich herum blickte ich in konzentrierte Gesichter, die noch weit entfernt von Schweißschub und Trinkpause waren. Da ich das Gefühl „gleich-kippe ich um“ von meinen Jogginganfängen schon kannte, dachte ich: einfach weitermachen, gleich wird’s besser, Du musst noch Deinen Rhythmus finden, atme regelmäßig. Endlich, nach fünfzehn unendlichen Minuten des Aufwärmens: Kurze Trinkpause. Ines erklärte den Neulingen, worauf es beim Kiboe ankommt. Kein Schlag wird mit überstrecktem Arm ausgeführt, kein Tritt mit ausgestrecktem Bein. Und ganz wichtig: Den Atem herausbellen, alles muss in den Schlag oder Tritt gekeucht werden. Und was sie dann auf dem Podest als Demo zeigte, sah nicht annähernd so aus, wie das, was ich von meinem Körper würde erwarten können: Perfekte Bewegungsabläufe, die vor Leichtigkeit und Kraft nur so brillierten. Wie bitteschön sollte ich mein Bein rechts von mir in die Waagrechte, oder wie Ines, in die Diagonale nach schräg oben transportieren? Meine Versuche, mich elegant zu verbiegen wurden von Ines streng kontrolliert und erbarmungslos kommentiert: „ Seitlich den Oberkörper abkippen, den Standfuß drehen, Arme auf Spannung, Abwehrhaltung, atmen nicht vergessen...“ Uuups, wo bin ich? Die anderen Kursteilnehmer wurden unruhig, ungeduldig, konnten es offenbar kaum erwarten sich zu blamieren oder etwa doch zu profilieren? Selbstredend war keiner von uns nur annähernd so anmutig in der Bewegungsfolge wie Ines. Und auch die Kondition meiner Mitstreiter gelangte zusehends in Grenzbereiche: rote Köpfe, schwere Arme, weiche Knie. Schön blöd von mir zu glauben, dass ich hier ein wenig flirten könnte. Energiesparmaßnahmen waren angesagt, bloß keine unnötige Verausgabung, selbst die Spiegelwände verschwanden, verkamen zu unscharfen Flächen ganz weit weg. Ines schaffte es in gerade mal 25 Minuten alle zu schaffen. Ich war fertig, reif für die Trage.

Dennoch empfand ich etwas ganz Erstaunliches. Offenbar eine Hormonausschüttung oder so was. Wie bei einer Droge, flog mein Gehirn davon, ich fühlte mich leicht, erwischte mich beim selbstzufriedenen Grinsen, erlebte ein extremes Glücksgefühl. Und genau deshalb bin ich jetzt seit zweieinhalb Jahren jede Woche wieder am Start. Meine Beine kann ich mühelos nach vorn, hinten und seitwärts ausstrecken, meine Arme beschleunige ich gezielt und meine Körperspannung kann sich sehen lassen. Abgenommen habe ich an die sechs Kilo, nur leider gehorcht das Fleisch über der Muskulatur weiterhin den Naturgesetzen: es bleibt, um es nett auszudrücken, griffig bis schlapp. Im Kopf allerdings stellt sich jedesmal neu und höchst angenehm das gleiche Phänomen ein: Ich fühle mich wie auf Kurzurlaub, bin glücklich und versöhnt mit der Welt. Mein neues Ziel ist jetzt die Optimierung der Bewegungsabläufe, Eleganz statt Ganzkörperkampf. Also, wenn Sie mich fragen, Kiboe und Tae-Bo sind extreme Sportarten mit extrem guten Chancen auf den Kick im Kopf.“

PS: (Mittlerweile gehe ich öfter fremd. Im Klartext: Ich fröne meiner Tret-Box-Keuch-Leidenschaft gern auch bei Celestino, Steve und Richy, deren anerkennendes Zunicken ich zuweilen wahrnehmen und genießen kann.)